Person vor einem Flohmarktstand

Von Etiketten und Kunststoffen – oder warum ich Etiketten lese – und was ich dabei gelernt habe

Eine Bluse ohne Etikett

Neulich auf dem Flohmarkt habe ich eine tolle Bluse entdeckt. Kein Etikett mehr vorhanden. Ich musste raten: Baumwolle? Jersey? Leinen? Polyester? Oder ein Gemisch aus allem – was ja nicht selten vorkommt. Mir fehlte das Gefühl für den Stoff.

Seitdem ich angefangen habe, mich intensiver mit Materialien zu beschäftigen, hat sich eine neue Gewohnheit bei mir eingeschlichen: Ich lese Etiketten. Und zwar ständig.
 Ob in Onlineshops, im Laden oder auf dem Flohmarkt (wo es manchmal gar keine Etiketten mehr gibt) – ich bin auf Spurensuche. Manchmal muss ich tief scrollen oder mich durch Lagen von Kleingedrucktem kämpfen, um die winzigen Angaben zu finden. Aber irgendwo steht sie immer: die Zusammensetzung unserer Kleidung.

Und dann bin ich oft enttäuscht. Ein Shirt, das vollmundig als "aus Baumwolle" beworben wird, besteht vielleicht nur zu 30 % daraus – der Rest ist Polyester oder ein anderes Kunststoffprodukt auf Erdölbasis. 

Hast du mal Etiketten gesucht und geschaut, was in deiner Kleidung steckt? Wissen über Materialien verändert den Blick – und manchmal auch die Wertschätzung.

Kunststoffe in der Kleidung - Was steckt eigentlich drin?

Polyester, Nylon, Polyamid, Elasthan, Polyacryl, PVC, PU usw. – Kunststoffe begegnen uns überall, von Sportkleidung bis zu günstigen Alltagsstücken. Leider basieren diese Fasern auf Erdöl und sind damit alles andere als umweltfreundlich.
 Zudem sind sie nicht atmungsaktiv, das Tragegefühl ist oft unangenehm. Aber sie sind günstig in der Herstellung – und deshalb überall zu finden.

Manchmal gibt es kaum Alternativen, etwa bei Funktionskleidung. Hier gilt: so lange wie möglich tragen.

Etiketten sehen meistens so aus:


Mischgewebe oder Polyestermischungen sind in der Modeindustrie weit verbreitet, lassen sich jedoch schwer recyceln: Die verschiedenen Fasern voneinander zu trennen ist ein aufwendiger, teurer Prozess, der viel Energie und Arbeitskraft kostet.

Inzwischen findet man auch Etiketten wie:
98 % Polyester, 2 % Elasthan – enthält 98 % recycelten Polyester.

Recycelter Polyester – Fluch oder Fortschritt?

Recycelter Polyester? Ein neuer Trick der Fast-Fashion-Industrie?
 Das habe ich mich auch gefragt. Deshalb habe ich recherchiert, Dokus geschaut und Artikel gelesen – und war danach ziemlich verwirrt.

Die einen sagen: „Recycling von PET-Flaschen für Kleidung ist nur ein Marketing-Gag.“
Die anderen: „Immerhin besser als neuer Kunststoff.“
Was stimmt denn nun?
Das Universum der Nachhaltigkeit lässt mich oft entmutigt zurück – weil auf harsche Kritik selten konkrete Lösungen folgen.

Recyceltes Polyester ist gewiss keine perfekte Lösung. Aber es ist ein kleiner Schritt. Und Nachhaltigkeit geht ja auch über die Wahl der Materialien hinaus: Wenn Unternehmen sich dem Müll, den wir alle hinterlassen, annehmen und daraus nicht nur Produkte machen, sondern dabei auch faire Arbeitsplätze schaffen, dann ist der Schritt schon etwas größer.

So ein Unternehmen ist SuperWaste. Ich habe es vor einiger Zeit entdeckt und war begeistert – von der Idee, dem Projekt und natürlich den Taschen aus PET-Flaschen. Deshalb gehören sie jetzt auch zum Sortiment von JoVal Elements.

SuperWaste: Recycling mit Wirkung

SuperWaste startete 1999 mit dem Ziel, nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Abfall wird hier als Rohstoff genutzt – und gleichzeitig entstehen Arbeitsplätze und Bildung für Menschen in besonders armen Regionen.

Das Material, das sie verwenden, stammt aus Kunststoff-, Textil- und Teesackabfällen in Indien. Gemeinsam mit niederländischen Designer*innen werden daraus neue Produkte entwickelt.

SuperWaste arbeitet direkt mit lokalen Gemeinschaften in Südindien zusammen – besonders mit Frauen, die sonst kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten.
Gemeinsam mit ihrem Projektleiter schaffen sie faire Arbeitsplätze in einem Dorf, das bislang kaum Anschluss an den globalen Handel hatte.

Die Taschen werden dort von Hand gefertigt – unter fairen Bedingungen, mit fairen Löhnen, und ohne dass jemand dafür in die Stadt ziehen muss.
Dieser alternative Produktionsweg braucht manchmal Improvisation – aber er funktioniert: Heute arbeiten dort 25 feste und viele flexible Mitarbeitende. Gemeinsam wurden bereits hunderttausende Produkte gefertigt. 

Die Taschen findest du hier in meinem Shop

 

Wie aus Flaschen Taschen werden

Die Taschen entstehen aus gesammelten Plastikflaschen. Diese werden nach Farben sortiert, gereinigt und zu Granulat zerkleinert. Dann wird das Granulat geschmolzen und zu Fäden verarbeitet, aus denen robuster Filz entsteht.

Diese Taschen sind langlebig, schön designt und ein Beispiel dafür, wie sinnvoll Recycling sein kann – wenn es mit Herz und Verstand gemacht wird.


Übrigens: PET steht für Polyethylenterephthalat. Recyceltes PET wird auch als rPET bezeichnet.

Klamotten aus PET? Ich bleib neugierig

Mittlerweile gibt’s auch Shirts und Jacken aus recyceltem PET (gerade bei der oben angesprochenen Funktionskleidung eine Option). Und ja, auch hier wird heftig diskutiert: Die einen sagen „Innovativ!“, die anderen „Greenwashing deluxe!“.

Klar ist: Nicht jedes rPET-Produkt ist automatisch nachhaltig. Ich finde: Solange es keine perfekte Lösung gibt, sollten wir neugierig bleiben und uns informieren. 

Hilfreich sind dabei Zertifikate, die für mehr Transparenz sorgen – was zertifiziert ist, wurde zumindest genauer geprüft. Wer sich einen Überblick verschaffen will, wird auf dieser Seite fündig.

Ein Blick auf Etiketten – ein Blick in die Zukunft

Zurück zur Flohmarkt-Bluse. Ich habe sie übrigens nicht gekauft. Nicht, weil ich sie nicht mochte – sondern weil ich nicht wusste, woraus sie besteht. Ich konnte sie nicht einordnen.
 Heute weiß ich: Ein bewusster Konsum beginnt manchmal bei einer kleinen Entscheidung. Und bei einem Etikett.


Bis zum nächsten Blog, bleib neugierig! 

Zurück zum Blog